Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil gegen eine Gruppe von Braunschweiger Hanftee-Verkäufer*innen aufgehoben und damit den Weg für den Verkauf von Lebensmitteln auf Basis von Hanfblüten und -blättern auf dem deutschen Markt geebnet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbieten die Bestimmungen des deutschen Betäubungsmittelgesetzes „nicht generell den Verkauf (von Hanfblüten und -blättern) an Endkunden zu Konsumzwecken“, so der BGH bei der Aufhebung des Urteils, der Fragen zum THC-Gehalt in Hanfprodukten aus den Blüten der Pflanze aufwarf.
Handel mit … Tee
Die Entscheidung des Obersten Gerichts kam in einem Fall, der vor einem deutschen Landgericht begann, in dem nicht identifizierte Braunschweiger Hanftee-Verkäufe*innen wegen Drogenhandels angeklagt waren. Das Landgericht verurteilte die Angeklagten wegen Handels mit Betäubungsmitteln zu mehrmonatigen Haftstrafen, setzte diese aber zur Bewährung aus.
„Der BGH stellt in seinem Urteil vom 24.03.2021 fest, dass der Verkauf von Hanfblüten und -blättern an Endverbraucher nicht grundsätzlich verboten ist“, betonte das führende deutsche Hanfunternehmen Hempro International GmbH, Düsseldorf, in einer Pressemitteilung nach dem Urteil.
Der BGH stellte fest, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung des Falles keinen Rechtsfehler begangen hatte. Das Urteil der Vorinstanz habe jedoch „nicht geprüft, ob der Vorsatz der Beklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der vertriebenen Pflanzenteile zu Rauschzwecken einschloss“, so der BGH in einer Presseerklärung.
Maßstab ist die Einnahme
„Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit ein Missbrauch zu Rauschzwecken nach dem Betäubungsmittelgesetz denkbar ist, kann Nutzhanf mit niedrigem THC-Gehalt nicht mehr als solcher behandelt werden“, so Hempro Int. „Von nun an kommt es vielmehr auf die tatsächliche eingenommenen Menge der psychoaktiven Substanz THC an.“
„Die Abgabe und der Besitz von unverarbeiteten Industriehanfprodukten an Endverbraucher fällt somit nicht unter das Betäubungsmittelgesetz, solange ein vorsätzlicher Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist“, so Hempro.
„Das bedeutet, dass ich endlich Hanfblätter für die Herstellung von traditionellen Lebensmitteln, wie z.B. Teezubereitungen, verwenden und vermarkten kann, ohne eine Gefängnisstrafe zu riskieren“, so Daniel Kruse, Geschäftsführer von Hempro Int. und Präsident der European Industrial Hemp Association (EIHA).
Auch der Bundesverband der deutschen Cannabiswirtschaft (BvCW) begrüßte die BGH-Entscheidung. „Das bedeutet eine große Erleichterung für die Verkäufer, die bisher oft von geschäftsschädigenden Razzien betroffen waren“, so der Verband in einer Stellungnahme.
„Für die Politik bedeutet das Urteil, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Industriehanf und seine Produkte insgesamt aus den Fängen des Betäubungsmittelgesetzes herauskommen können“, sagte BvCW-Geschäftsführer Jürgen Neumeyer. „Trotz des heutigen Urteils wird es immer wieder vorkommen, dass wir von Betäubungsmittel-Vorschriften hören, die es weiterhin erschweren, die vielen positiven Anwendungen von Hanf hier in Deutschland umfassend zu nutzen. Andere Länder, zum Beispiel unsere Nachbarn in der Schweiz oder Österreich, aber auch die USA, sind uns in dieser Frage um Jahre voraus.“
Hempro-Klagen anhängig
Hempro Int. hat letztes Jahr Klage gegen die Stadt Düsseldorf eingereicht, nachdem die Stadt die Vermarktung und den Verkauf von Lebensmitteln, die CBD in Form von natürlichen Extrakten enthielten, verboten hatte. Das Unternehmen führt derzeit auch ein Verfahren gegen die Stadt Braunschweig, das bis ins Jahr 2019 zurückreicht; dieser Fall stellt die Verkaufsstopp-Verfügung der Stadt gegen einen Großhandelskäufer seines Hanf-Speiseöls der Marke HANF FARM in Frage. Hempro sagte diese Woche, dass es baldige Entscheidungen in diesen Fällen erwarte.
Kruse schlug vor, Industriehanf komplett aus dem deutschen Betäubungsmittelgesetz zu streichen, um unnötige bürokratische Hürden zu beseitigen, die den Sektor behinderten.