Entkriminalisierung von Cannabis in Deutschland kann Weg für Nutzhanf ebnen

Die geplanten neuen Cannabis-Regelungen in Deutschland werden dazu beitragen, die Stigmatisierung von Hanf zu beenden und die Reform der Cannabis- und Nutzhanfpolitik auf europäischer Ebene zu unterstützen, so führende Branchenverbände.

In einem kürzlich veröffentlichten Entwurf eines „Eckpunktepapiers„, das weitreichende Maßnahmen skizziert, die sich hauptsächlich auf die Legalisierung von Marihuana für den Freizeitgebrauch konzentrieren, heißt es, dass „Cannabis für den menschlichen Verzehr, medizinisches Cannabis und Nutzhanf vollständig vom Anwendungsbereich des BtMG (deutsches Betäubungsmittelgesetz) ausgenommen werden“.

„Dank des Vorstoßes der Bundesrepublik Deutschland, Cannabis zu legalisieren, können wir uns nun endlich auf Rechts- und Planungssicherheit freuen, auch auf europäischer Ebene“, sagte Daniel Kruse, ein deutscher Hanfunternehmer, der auch Präsident der European Industrial Hemp Association (EIHA) ist, über den Entwurf eines „Eckpunktepapiers“ zur Cannabispolitik, das kürzlich von der Regierung veröffentlicht wurde.

Ein historisches Ereignis

Mit diesem Dokument eröffnet Deutschland eine Diskussion mit den EU-Behörden, um die Übereinstimmung der deutschen Entscheidung mit den internationalen und europäischen Gesetzen zu untersuchen. Laut der deutschen Bundesregierung steht der Plan, Cannabis in Deutschland zu legalisieren, im Einklang mit dem Zweck und den rechtlichen Anforderungen der Übereinkommen, da der Schwerpunkt der Reform auf dem Schutz der Gesundheit und der Jugend liegt und nicht auf der Förderung des Cannabiskonsums. Nun liegt es an der Europäischen Kommission, zu den Eckpunkten Stellung zu nehmen.

In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten EIHA und das deutsche Nutzhanf-Netzwerk (NHN) den Vorschlag als „ein historisches Ereignis für ganz Europa“.

Aaron Kamperschroer, Geschäftsführer Nutzhanf-Netzwerk e.V.

Aaron Kamperschroer, Geschäftsführer des Nutzhanf-Netzwerk e. V. (Deutschland): „Die Entwicklungen in Deutschland zum Thema Cannabis sind eine Chance für den Industriehanfsektor und werden höchstwahrscheinlich einen Imitationseffekt auf andere Mitgliedsstaaten erzeugen. Die Vorlage des Eckpunktepapiers von Gesundheitsministerin Lauterbach kann somit zu einem historischen Paradigmenwechsel im rechtlichen Umgang mit Cannabis für Deutschland und ganz Europa führen.“ 

Nach dem Wortlaut der Regierungsmitteilung, die weitreichende Maßnahmen skizziert, die sich hauptsächlich auf die Legalisierung von Marihuana für den Freizeitgebrauch konzentrieren, werden „Genusscannabis, Medizinalcannabis und Nutzhanf vollständig aus dem Anwendungsbereich des BtMG (Betäubungsmittelgesetz) ausgenommen.“

Durch die Herausnahme von Nutzhanf aus dem BtMG – ein wichtiger Aspekt für Hanfproduzenten – würden die in dem Entwurf der Mitteilung dargelegten Regeln den Interessenvertretern der Branche anhaltendes Kopfzerbrechen seitens der Vollzugsbehörden ersparen, die häufig Verbote, Razzien und Strafverfahren in Bezug auf Hanflebensmittel und Hanfprodukte eingeleitet haben.

Daniel Kruse, Präsident der EIHA

Daniel Kruse, seit 1995 Unternehmer in der Hanfindustrie und Präsident der EIHA, führt weiter aus: „Im Jahr 1993 begann die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf in Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern. Die ersten 25 Jahre waren geprägt von einer schrittweisen, nachhaltigen Entwicklung einer Branche mit vielen wirtschaftlichen Erträgen und mit grenzenlosen Perspektiven. Seit 2019, ausgelöst durch den Hype um CBD, steht unsere Branche vor unvorhersehbaren Herausforderungen wie keine andere. Fragwürdige Novel-Food-Entscheidungen, aus der Luft gegriffene Behauptungen in Bezug auf Betäubungsmittel und willkürliche behördliche Maßnahmen gegen THC und CBD in Lebensmitteln haben enormen wirtschaftlichen Schaden angerichtet und das Wachstum gebremst, bis hin zu Vernichtung von Unternehmen und Abbau von Arbeitsplätzen. Die Hexenjagd auf Nutzhanf könnte nun endlich ein Ende haben. Die angestrebte Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) in Deutschland wird der Nutzhanfindustrie und der Landwirtschaft einen weiteren Schub geben und dazu beitragen, die jahrzehntelange Stigmatisierung endlich zu beenden.“

„Besondere“ CBD-Regeln

Die Einzelheiten des deutschen Rechtsrahmens werden laut dem Entwurf des Eckpunktepapiers in einem vom Betäubungsmittelgesetz getrennten Gesetz geregelt. Die Regelungen würden einen verlässlichen Rechtsrahmen für medizinische Cannabis- und Nutzhanfprodukte schaffen, einschließlich solcher mit nicht-psychoaktiven Cannabinoiden wie CBD.

Bei diesen noch zu erarbeitenden Regelungen für CBD-Produkte werden die Branchenverbände darauf achten, dass eine klare Abgrenzung zwischen Lebensmitteln, auch Nahrungsergänzungsmitteln, und Arzneimitteln erfolgt, so Daniel Kruse.

Neben der Streichung von Cannabis aus der Liste der gefährlichen Drogen in Deutschland wird in dem Entwurf lediglich erwähnt, dass für den Umgang mit Cannabidiol (CBD)-Produkten möglicherweise besondere Regelungen getroffen werden müssen“.

Abgesehen von der Klarstellung zu CBD sollte die Hanfpolitik die klimarelevanten Vorteile von Nutzhanf betonen, so die Industrieverbände.

0,3% THC

Nach dem aktuellen Vorschlag wäre der Anbau von Nutzhanf nach wie vor auf lizenzierte Landwirte beschränkt, aber für den Handel wäre keine Lizenz erforderlich und andere Marktbeschränkungen würden aufgehoben.

Eine vorgeschlagene Regelung zur Erhöhung des zulässigen THC-Gehalts von Hanf „auf dem Feld“ würde diesen Grenzwert von 0,2 % auf 0,3 % anheben, um ihn an die EU-Vorschriften anzupassen, die am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Nach Ansicht von EIHA und NHN sollte das Endziel ein EU-weiter Grenzwert von 1,0 % THC für Hanfpflanzen sein.

Angleichung an die EU

EIHA und NHN forderten die Bundesregierung auf, den neuen Rechtsrahmen eng mit Brüssel abzustimmen und sich für eine europaweit harmonisierte Nutzhanf- und Cannabisstrategie einzusetzen.

Nutzhanffeld

„Nach Angaben der Bundesregierung steht das Vorhaben, Cannabis in Deutschland zu legalisieren, im Einklang mit dem Zweck und den rechtlichen Anforderungen der Konventionen, da der Schwerpunkt der Reform auf dem Schutz der Gesundheit und der Jugend liegt und nicht auf der Förderung des Cannabiskonsums“, so die Hanf-Verbände.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, der Plan der Regierung sei darauf ausgelegt, bei der Europäischen Kommission durchzukommen: „Was wir nicht wollen, ist ein Stillstand“, sagte Lauterbach. „Erst wenn Brüssel und Straßburg grünes Licht geben, soll ein Gesetz folgen.“

Deutschland

Mit der Freigabe von Cannabis würde die deutsche Linkskoalition aus SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP den größten Markt der EU mit mehr als 83 Millionen der reichsten Konsumenten der Welt öffnen. Das deutsche Gesundheitsministerium schätzt, dass bis zu vier Millionen Erwachsene Marihuana konsumieren, das von einem großen Schwarzmarkt bezogen wird.

Die deutsche Hanfindustrie ist gut etabliert, mit langjährigen Aktivitäten in der samenbasierten Lebensmittel- und Faserproduktion und namhaften einheimischen Akteuren, die bereit sind, von einem klar regulierten Hanfsektor zu profitieren.

Gut positioniert

„Für uns sind das Eckpunktepapier und die vorgelegten hervorragenden Regelungen wie ein Lottogewinn“, sagt Lars Müller, Vorstandsvorsitzender der Münchner SynBiotic SE, Deutschlands größter börsennotierter Cannabis-Unternehmensgruppe. „Wir sind in fast allen Punkten des Entwurfs optimal positioniert“, so Müller, dessen Gruppe Produkte auf Cannabinoidbasis erforscht, entwickelt und produziert und in Freizeit-Cannabis einen naheliegenden nächsten Markt sieht.

Die Hanfunternehmen der SynBiotic-Gruppe verfügen bereits über Anbau- und Verarbeitungsanlagen für Hanf, produzieren und vertreiben Hanflebensmittel, CBD-Kosmetika und Textilprodukte. Insbesondere die SynBiotic SE ist durch die Kooperation mit der Enchilada-Gruppe hervorragend für den geplanten kontrollierten Vertrieb über lizenzierte Händler aufgestellt.

Als einer der größten Vertreter der deutschen Cannabisbranche ist sich die SynBiotic SE ihrer Verantwortung als zuverlässiger Hersteller und Vertreiber von cannabishaltigen Produkten bewusst und unterstreicht die Notwendigkeit moderner, auf den sicheren Konsum von Cannabis zugeschnittener Regelungen sowie die dringend erforderliche Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Hinsichtlich des geplanten Importverbots und des heimischen Anbaus in Deutschland ist die SynBiotic SE mit der zur Gruppe gehörenden HANF FARM, einem auf den industriellen Anbau von Hanf spezialisierten Unternehmen mit über 20 Jahren Erfahrung und einer Anbaukapazität von bis zu 1.000 Hektar für Nutzhanf, bestens aufgestellt. Ein Teil dieser Anbaufläche kann mit einem entsprechenden Sicherheitskonzept auch für Genusscannabis genutzt werden. Die Gruppe möchte jedoch betonen, dass die bestehende Infrastruktur unbedingt ausgebaut werden muss. Vor allem, da die heimische Produktion von preiswertem, qualitativ hochwertigem Cannabis aufgrund der enorm gestiegenen Energiekosten nur auf Freiflächen wirtschaftlich sinnvoll ist.

Die Handschellen abnehmen

Dem Entwurf des Eckpunktepapiers zufolge werden mit Inkrafttreten der neuen Vorschriften „laufende Ermittlungs- und Strafverfahren“, die durch Cannabis ausgelöst wurden, eingestellt, und die Akten von Personen, die wegen Cannabisdelikten verurteilt wurden, werden gelöscht. Solche Fälle haben zu Verurteilungen nach den Drogengesetzen geführt, die sowohl Marihuana als auch Hanf betreffen.

Nach den vorgeschlagenen Regeln für Marihuana würde der Kauf und Besitz von bis zu 30 Gramm Marihuana straffrei bleiben, der private Anbau wäre erlaubt und Erwachsene könnten in zugelassenen Abgabestellen und möglicherweise in Apotheken einkaufen. Die Regierung prüft auch Fragen im Zusammenhang mit dem Konsum, wie z. B. die Beschränkung des Verkaufs von Marihuana auf Personen über 21 Jahre oder die Festlegung einer Obergrenze für den THC-Konsum, die für Personen unter 21 Jahren gelten würde.

Medizinisches Marihuana ist in Deutschland bereits durch ein Gesetz aus dem Jahr 2017 legal, aber nach den vorgeschlagenen neuen Regeln würde es nicht mehr als gefährliche Droge eingestuft werden.